Deutsche Textilbranche normalisiert sich, jedoch auf niedrigem Niveau
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Auch wenn es nach den letzten großen Insolvenzen — SinnLeffers, Gerry Weber, Peek & Cloppenburg, Esprit, Görtz — in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie etwas ruhiger geworden ist, ist sie noch nicht aus dem Schneider.
Insgesamt wurden im Jahr 2024 in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie 46 Insolvenzverfahren eröffnet, Tendenz steigend wie Kreditversicherer Allianz Trade in einer Studie zu Beginn des Jahres hervorhob.
“Aktuell gibt es zwar keine nennenswerten großen Insolvenzen in der Branche, dafür aber steigt die Schadensentwicklung insgesamt in dem Sektor“, bestätigt Risk Services Manger Jens Stobbe vom internationalen Kreditversicherer Atradius.
So stiegen die Insolvenzen per Mitte Mai dieses Jahres um 3,7 Prozent an - mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Ebenso ging im Vorjahr der Bruttoproduktionsumsatz mit Textilien, Leder und Bekleidung nach Angaben von Oxford Economics in Deutschland um 4,2 Prozent auf 27,1 Milliarden Euro zurück, Tendenz sinkend.
In diesem Jahr soll sich diese Zahl auf etwas mehr als 26 Milliarden Euro verringern beziehungsweise auf rund 25 Milliarden Euro im Jahr 2026. In der Eurozone sieht es ähnlich aus: Während der Umsatz der Branche im vergangenen Jahr bei 141 Milliarden Euro lag, sollen es im nächsten Jahr nur noch rund 130 Milliarden Euro werden.
Keine Entwarnung angesichts der Herausforderungen
Hinzu kommen gestiegene Personal- und Energiekosten sowie massiv gestiegene Bau- und Renovierungskosten für den Einzelhandel. Die anhaltende Zurückhaltung der Verbraucher:innen angesichts der wirtschaftlichen Verunsicherung sorgt für eine eher schwache Nachfrage. Für traditionelle Einzelhandelsmodelle ist auch der Trend hin zu Onlinehandel und Secondhand-Kleidung herausfordernd.
Auch wenn der Umsatz in der Bekleidungsindustrie mit rund 7 Milliarden Euro stabil zu sein scheint, hat die Branche mit Gegenwind zu kämpfen: Zum einen steht sie durch neue EU-Vorschriften unter Druck, nachhaltigere Praktiken zu implementieren, zum anderen sorgt die US-Zollpolitik gegenüber asiatischen Ländern für Unsicherheit. Dort ansässige Exportunternehmen könnten verstärkt europäische Märkte ins Visier nehmen und den Wettbewerb weiter verschärfen.
Anhand struktureller Veränderungen, schwacher Nachfrage und politischen Unsicherheiten, insbesondere durch mögliche US-Zölle, prognostiziert das Ifo-Institut für 2025 kein Wirtschaftswachstum.
„Während die Branche durch Nachhaltigkeit, technische Innovationen und den wachsenden Markt für Kreislaufmode als Gegenmodell zu Fast Fashion profitieren könnte, muss sie gleichzeitig mit wettbewerbsintensiven Herausforderungen, regulatorischen Anforderungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten umgehen“, fasst Stobbe zusammen.