Der Fall Kik verdeutlicht Lücken des Lieferkettengesetzes
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Textildiscounter Kik sieht sich mit einer Anzeige beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) konfrontiert, die von pakistanische Textilarbeiter:innen, der pakistanischen Gewerkschaft National Trade Union Federation (NTUF) und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) erstattet wurde. Der Vorwurf: „schwerwiegende Verstöße gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)“.
Konkret geht es um Arbeitsrechtsverletzungen in der Zulieferfabrik Mount Fuji in Karachi, Pakistan. Diese besteht seit mehr als drei Jahrzehnten und stellt Webwaren aus Polyester, Baumwolle und Mischgarnen her beziehungsweise exportiert diese sowie Strickwaren für den Bekleidungs- und Heim- und Gartenbereich.
Der Beschwerde zufolge soll Mount Fuji systematisch gegen Arbeitsgesetze verstoßen, besonders die Vorenthaltung fairer Löhne und die Unterdrückung von Gewerkschaftsorganisationen. Das Klicken des Links zu „Social Compliance“ auf der Mount Fuji-Website ergibt eine Fehlermeldung.
Betrieb fiel bereits 2023 auf
Dies ist nicht das erste Mal, dass der Herstellungsbetrieb auffiel: Bereits Ende 2023 reichten die Organisationen eine interne Beschwerde ein und forderten Kik auf, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und seiner Sorgfaltspflicht nachzukommen.
Der Discounter ließ sich vom BAFA bestätigen, dass er diese nicht verletzt habe: „Anhand der hier vorliegenden Informationen kann derzeit keine Verletzung von unternehmerischer Sorgfaltspflichten nach dem LkSG im hier gegenständlichen Sachverhalt festgestellt werden“, heißt es im Abschlussbericht, der FashionUnited vorliegt.
Kik und CSR-Leiter Ansgar Lohmann „sind überrascht, dass der Sachverhalt um den pakistanischen Zulieferer Mount Fuji erneut zur Diskussion kommt“. „Uns liegen bis jetzt keinerlei neue Hinweise oder Beschwerden zu diesem Thema vor. Auch sind Stand jetzt keine diesbezüglichen Meldungen von Arbeiter:innen ubei uns eingegangen – weder über den offiziellen KiK-Beschwerdemechanismus noch über den Beschwerdemechanismus des International Accord, in dem die betreffende Fabrik gelistet ist“, heißt es in einer Stellungnahme.
„Auch weiterhin überprüfen wir die von uns beauftragten Fabriken regelmäßig. Unserer Kenntnis nach hat der Zulieferer Mount Fuji ein bestehendes Gewerkschaftsabkommen mit der NTUF geschlossen und wir gehen davon aus, dass in diesem Arbeitsverhältnis ebenso auf die Einhaltung aller Sorgfaltspflichten geachtet wird“, heißt es weiter.
„Keine wirksamen Maßnahmen“
Den Beschwerdeführer:innen ist dies zu wenig; sie kreiden an, dass Kik „keine wirksamen Maßnahmen ergriffen [habe], um die dokumentierten Verstöße seines Lieferanten zu beheben“. „Erneut verließ sich KiK stattdessen auf die Versprechen des Lieferanten und zweifelhafte Sozialaudits von Beratungsunternehmen – trotz deutlicher Hinweise auf deren Ungeeignetheit“, heißt es.
Und tatsächlich ist dies das Problem bei Lieferkettenproblemen - ein mangelnder direkter Kontakt zwischen Auftraggebenden und Auftragnehmenden; Audits durch Dritte können kaum das gesamte Bild vermitteln und sind gerade für gute, langfristige Geschäftsbeziehungen nicht ausreichend.
„KiK verkauft oberflächliche, ineffektive Maßnahmen als Fortschritt, während die betroffenen Arbeiter:innen in Pakistan weiterhin unter prekären Bedingungen arbeiten und wir in unserer Gewerkschaftsarbeit behindert werden“, erklärt NTUF-Generalsekretär Nasir Mansoor in einer Mitteilung vom 19. Juni.
LkSG konsequent umsetzen und durchsetzen
Für Annabell Brüggemann, Senior Legal Advisor beim ECCHR, verdeutlicht der Vorfall die Berechtigung des LkSGs. „Der Fall Kik zeigt deutlich, warum wir das Lieferkettengesetz brauchen, aber auch, was an seiner Anwendung derzeit dysfunktional ist. Es muss konsequent umgesetzt und durchgesetzt werden, unter echter Beteiligung der Betroffenen, etwa von Gewerkschaften wie der NTUF. Stattdessen erleben wir erneut, wie sich Unternehmen ihrer Verantwortung entziehen – ermöglicht durch eine Verwaltungsbehörde, die durch ihre eingeschränkte Kontrollpraxis das Gesetz zunehmend auszuhöhlen droht“.
Neben ECCHR und NTUF war auch die NGO Femnet von Anfang an in die Gespräche mit dem Discounter involviert, hat sie doch durch ihre Expertise zu Arbeits- und Frauenrechten in der Bekleidungsindustrie, insbesondere in Asien, und durch den kontinuierlichen Austausch mit lokalen Gewerkschaften vor Ort ein tiefes Verständnis der Arbeitsbedingungen in der Region.
„Der Fall Kik ist auch politisch relevant: Er zeigt, dass der aktuell diskutierte Kurswechsel beim LkSG den Schutz der Betroffenen gefährdet. Die Bundesregierung muss diesen Entwicklungen entgegenwirken, anstatt das Gesetz zu schwächen oder gar abzuschaffen“, rät Sina Marx von Femnet.
Eines steht jedenfalls fest - das Hin und Her zwischen Gewerkschaften, Betrieben und Auftraggebenden verzögert ein wirkliches Handeln und dieses wirkt sich - wieder einmal - auf die schwächsten Glieder der Lieferkette aus - die Bekleidungsarbeiter:innen. Hier könnte Kik durch schnelles, unbürokratisches Handeln, das heißt eine eigene Einschätzung vor Ort, sich selbst ein Bild machen, statt sich auf Dritte zu verlassen, und sich mit Fabrikbetreibenden und Arbeiter:innen an einen Tisch setzen, um die Situation zu beheben. Denn oft geht es nicht um die Neuerfindung des Rads, sondern um einfache Kommunikation und einfache Lösungen.