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Besuch bei Arc’teryx in München: Warum sich die Outdoor-Marke von Luxus und Trends distanziert

Von Jule Scott

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Arc’teryx in München Credits: Hannah Hlavacek für Arc’teryx

Arc’teryx ist auf Expansionskurs. In den vergangenen Wochen wurden gleich zwei neue Stores in Deutschland eröffnet, denn der Direktvertrieb zahlt sich derzeit insbesonder bei der Profitabilität des Mutterkonzerns Amer Sports aus. Im kommunikativen Fokus des kanadischen Outdoor-Spezialisten steht jedoch weder der Erfolg noch die Eroberung der Einkaufsstraßen, sondern die Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit bei Arc’teryx stützt sich insbesondere auf ReBird. Dabei handelt es sich um ein Eigens von der Marke entwickelte Konzept für Zirkularität, das unter anderem einen Reparatur- sowie einen Waschservice anbietet und nun, drei Jahre nach seinem globalen Launch, sowohl in den Berliner Store als auch in das neue Geschäft in München Einzug erhielt.

Um herauszufinden, wie die kanadische Marke Zirkularität für sich definiert und eine Brücke zwischen Luxus, Mode und Outdoor schlägt, hat FashionUnited den ersten Arc’teryx-Store in der bayerischen Landeshauptstadt besucht und vor Ort mit Sven Radtke gesprochen. Der General Manager EMEA erklärt zudem, wieso Arc'teryx auch nach fast 35 Jahren immer noch Erziehungsarbeit leisten muss und warum die Marke lieber ein Produkt verkauft statt drei.

Sven Radtke im Store in München Credits: Hannah Hlavacek

Sie eröffneten vergangenen Monat ihren ersten Arc’teryx-Store in München. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, in die bayerische Landeshauptstadt zu ziehen?

Deutschland ist einer der drei größten Outdoor-Märkte neben England und Frankreich und daher ein Key-Markt für Arc’teryx. Nach einer Store-Eröffnung in Berlin ist München, mit der Nähe zu den Bergen, wo viele Konsument:innen auch mal für einen Tagestrip hinfahren und alle möglichen Sportarten machen, Sommer wie Winter, der logische nächste Schritt. Zudem sind wir bereits seit 15 Jahren in München mit der Arc’teryx vertreten und wissen, dass wir bereits loyale Fans der Marke für uns gewonnen haben. Ein eigener Store war immer vorgesehen; in den vergangenen Jahren ging es lediglich darum, die richtige Location zu finden, um die richtige Art von Konsument:innen anzusprechen.

Jetzt ist ein Moment und auch eine Location gekommen, mit der Theatinerstraße, um aufzutreten und uns mit der kompletten Marke zu zeigen. Natürlich haben wir auch bei Handelspartner:innen große Flächen, aber in einem eigenen Store können wir nun wirklich unser komplettes Sortiment zeigen – und noch so viel mehr, mit ReBird und unseren Community-Aktivierungen.

Was macht die Theatinerstraße zur richtigen Location für Arc’teryx?

Es ist eine Premium-Retail-Location. Wir haben uns gezielt gegen die Luxus-Location der Maximilianstraße entschieden, ebenso wie gegen die Kaufingerstraße, die eher ein breiteres Konsument:innenspektrum anzieht. Zwar gibt es viele andere Outdoor-Marken, die auf der Sendlinger Straße positioniert sind, doch die Location entwickelt sich anders als noch vor einiger Zeit gedacht. Unser Ziel war es, als Marke sichtbar zu sein, auch bei Konsument:innen und Tourist:innen, die in die Stadt kommen, um einkaufen zu gehen. Dieses Bewusstsein ist in der Theatinerstraße gegeben.

Sie grenzen sich also stückweise sowohl vom Luxus als auch von anderen Outdoor-Marken ab?

Wir müssen uns nicht direkt neben anderen Outdoor-Marken positionieren. Wir können, aber müssen nicht. Es ist jetzt nicht die Nähe, die wir aktiv suchen, denn wir suchen eigentlich eher Marken, die für Qualität stehen, für Design stehen. Kann Textil sein, das können aber auch andere Marken sein, die mehr oder weniger in einem Design- oder Qualitätsumfeld aktiv sind. Aber Luxus bewusst nicht. Wir sind keine Luxusmarke, sondern eine Outdoor-Marke; genau dort wollen wir uns auch positionieren.

Stichwort Positionierung, Trendthemen wie Gorpcore haben Arc’teryx in der Vergangenheit in den Fokus der Modewelt gerückt …

Je größer unser Footprint wird, desto mehr achten wir darauf, dass wir unsere Core-Positionierung stärker kommunizieren und definieren. Dazu gehört auch das Verständnis, wo wir herkommen und wo wir hinwollen. Selbstverständlich dürfen alle Kund:innen unsere Produkte kaufen, doch wir würden uns nie dem Gorpcore oder einem anderen Trend zuliebe in der Mode positionieren und entsprechend bewerben. Outdoor steht immer an allererster Stelle und man wird niemals ein Arc’teryx-Produkt finden, das keine bestimmte Destination hat. Das ist nicht unser Lebensstil.

Und dennoch arbeitete Arc’teryx in der Vergangenheit mit großen Modemarken zusammen. Wie passt das zusammen?

Wir haben vor ein paar Jahren einmal zwei Kollaborationen gemacht, doch davon haben wir uns grundsätzlich verabschiedet. Unsere Zusammenarbeiten mit Jil Sander und Palace waren zwar sehr erfolgreich, doch letztlich wollen wir langfristig als Outdoor-Marke im Markt bestehen, und da passen solche Kapseln nicht mehr in unser Konzept. Heute arbeiten wir lieber in kleinen Regionen mit lokalen Künstler:innen zusammen, deren Kreativität wir dann auf unsere Produkte applizieren. Größere Kollaborationen sind jedoch für uns kein Thema mehr und auch für die kommenden Saisons keineswegs geplant.

Sie sprachen gerade die Destination als Lebensstil an, die Veilance-Linie ist allerdings auf ‘Großstadtjäger:innen’ ausgelegt.

Genau, wichtig ist jedoch, dass Veilance eine Kapsel ist, die es bereits seit über 15 Jahren gibt. Das ist kein neuer Trend, dem wir folgen, sondern dabei handelt es sich um zeitlose Produkte, die sehr technisch sind und auch wieder Nutzen erfüllen – allerdings für den urbanen Bereich.

Arc'teryx Store in München Credits: Hannah Hlavacek

Die Generation Z und die sich verändernden Ansprüche der Konsument:innen beschäftigt aktuell die Modewelt; inwiefern spüren Sie diesen Wandel im Outdoor-Bereich?

Wir sind uns der sich verändernden Generationen sehr bewusst und müssen den Konsument:innen dementsprechend auch kontinuierlich erklären, was Technik bedeutet und natürlich auch, wie technisch forciert und fortschrittlich Arc’teryx ist – auch nach fast 35 Jahren.

Kund:innen verstehen nicht unbedingt, wie wir es schaffen, dass unsere hochtechnischen Jacken so leicht sind; sie nehmen es als selbstverständlich hin, doch das ist es nicht, dahinter steht unglaublich viel Innovation. Im nächsten Schritt müssen wir ihnen näherbringen, wie man diese Technikprodukte behandelt, damit man sie möglichst lange nutzen kann. Das ist auch ein Teil von unserer Guest-Experience, dass eben unsere Shop-Pros die Jacke nicht nur verkaufen können, sondern auch erklären können.

Was versteht Arc’teryx unter ‘'Guest Experience’?

Dabei wird ganz besonders darauf geachtet, die Kund:innen zu fragen, was sie mit dem Stück vorhaben, welche Sportarten sie betreiben und welche Ansprüche sie an das Produkt schlussendlich haben. Daraufhin gibt es dann etwa spezifischere oder auch allgemeinere Produkte, die als eine Art Alleskönner funktionieren. Und dann, wenn vielleicht zwei Jacken zur Auswahl stehen, geht es um den Unterschied in der Technik, denn diese erklären häufig auch den Preispunkt.

Sie sprachen gerade den Preispunkt an. Spüren Sie die derzeitige Kaufzurückhaltung oder sind Outdoor-Enthusiast:innen weiterhin bereit, entsprechende Preise zu zahlen?

Unsere Produkte sind Premium und wenn wir erklären, wie sie gemacht sind und wo der Unterschied ist, dann verstehen die Konsument:innen das auch. Ein Teil des Konzepts ist es eben zu zeigen, wie lang man das Produkt – mit unserer Hilfe – nutzen kann. Dazu gehört etwa, dass wir das ReBird-Konzept und unseren Ethos der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit erklären. Wir wollen, dass jemand lieber ein Produkt kauft, anstatt dreimal ein ähnliches Produkt.

Und dennoch entwickeln Sie Produkte notwendigerweise immer weiter.

Absolut, doch Circularity ist ein unglaublich wichtiger Bestandteil unseres neuen Produktdesigns. Wir fragen uns immer, wie wir ein Produkt noch funktionaler, technischer und leichter machen können, aber auch wie wir es schaffen, dass das Produkt einfacher zu reparieren ist. Ein wichtiger Schritt ist beispielsweise auch zu verstehen, wie wir es schaffen können, dass man eventuell auch nur einen Teil – etwa ein Panel – austauschen und dann eine Jacke voll funktionsfähig benutzen kann.

Gehört zur Produktweiterentwicklung auch die Nutzung nachhaltigerer Materialien?

Gerade Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die gerade in technischen Outdoorprodukten noch häufig enthalten sind, stehen in der Kritik und in manchen Ländern wird sogar von einem Verbot in Erwägung gezogen.

Ja, das ist Teil der Nachhaltigkeitsbestrebungen. Es ist heute nachgewiesen, dass PFAS schlichtweg nicht gut für die Umwelt sind. Wir stellen in der Zwischenzeit auf eine neue ePE-Membrane um, allerdings machen wir das Schritt für Schritt. Und bei dem DWR-Treatment, bei den Sprays ist es auch so, dass die jetzt schon PFAS-frei sind. Es ist allerdings keine Hauruckaktion, wir ändern nicht alles auf einmal, sondern zielen darauf ab, bis Ende 2025 die komplette Kollektion umgestellt zu haben.

Ändert sich ohne die umstrittenen Substanzen etwas an der Qualität der Produkte?

Da streitet die Branche, aber ich glaube, Veränderung macht Menschen oft Angst. Bei solchen Umstellungen hört der Wille der Nachhaltigkeit häufig auf, doch wir glauben daran und deswegen gehen wir diesen Schritt, allerdings auch nur, weil die Produktfunktionalität und Qualität gewährleistet ist.

Wir haben mit gewissen Gore-Produkten angefangen und jetzt als nächster Launch im Winter unsere Gore-Pro-Produkte, die auf ePE umgestellt werden. Aber hier, weil der Einsatzbereich ein wenig anders ist, möchten wir sicherstellen, dass auch die Haltbarkeit gegeben ist. Deswegen haben wir dem einfach ein wenig mehr Zeit gegeben. Und wir wollen, wie bereits erwähnt, auch nicht alle Kollektionen in einer Saison komplett verändern. Aber wir stellen sicher, dass sowohl die Nachhaltigkeit als auch die Haltbarkeit beides komplett erfüllt wird. Eins ohne das andere macht am Ende des Tages auch keinen Sinn, wenn eine Sache nach einem Jahr wieder entsorgt werden muss. Dann ist daran auch nichts nachhaltig.

Apropos Circularity, Sie haben sich das Ziel gesetzt, bis 2030 völlig zirkulär zu arbeiten.

Genau, unser Ziel bis 2030 ist die volle Zirkularität. Wir wollen die Produkte, die wir verkaufen, letztlich wieder zurückführen. Aktuell gibt es unter dem Begriff ReBird bereits die Konzepte ReCare, ReGear und ReCut.

Credits: Hannah Hlavacek

Bei ReCut geht es darum, Leftover Fabrics für kleine Produktions-Runs zu benutzen. Das heißt, wir verkaufen speziell gestaltete Designs, etwa mit verschiedenen Panels aus Reststoffen, in limitierter Stückzahl. Das Projekt hat bereits in Nordamerika begonnen, in Europa ist es bislang noch nicht so weit. Bei ReGear können Kund:innen gebrauchte Produkte zurückgeben und dafür einen Gutschein erhalten. Ein gegen einen Gutschein ausgetauschtes Produkt wird dann von Arc’teryx aufbereitet und als Einzelprodukt wieder als ReGear verkauft, doch auch dieses Programm beschränkt sich derzeit auf Nordamerika, da wir dort ReGear schon länger anbieten.

In München gibt es im unteren Stockwerk des Stores nun auch ein Reparaturzentrum, bei dem das ReBird-Programm im Zentrum steht. Wie nehmen Kund:innen den Service bisher an?

Den Repair-Service bieten wir schon seit Jahren bei unseren Handelspartner:innen an, haben das aber bislang nur wenig kommuniziert. In München beispielsweise konnten Kund:innen immer zu einem Handelspartner:innen, etwa Globetrotter, gehen und ein Produkt aus Kulanz einschicken. Jetzt, mit einem eigenen Store, können wir jedoch wirklich zeigen, wofür ReBird und Circularity bei Arc’teryx stehen.

Credits: Hannah Hlavacek

Bereits in den vergangenen Tagen haben viele Kund:innen ihre Jacken abgegeben, sei es für eine Waschung, die für die Lebensdauer der Jacke so unglaublich wichtig ist, oder ein Quickfix. Andere Dinge, also größere Reparaturen, haben wir in die Schweiz geschickt. In Berlin, wo wir im Mai eröffnet haben, ist die Resonanz sehr ähnlich, und in London, wo wir seit Februar eine Station in Covent Garden haben, ist der Zuspruch unglaublich.

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