Bei Galeria müssen noch viele Steine umgedreht werden
Die Lage bei Galeria ist seit Jahren geprägt von Restrukturierungen, Verlusten und einem Einzelhandel im Wandel. Grundsätzlich bleibt festzuhalten: Ja, der Konzern befindet sich mittlerweile in einem stabileren Korsett, der Sanierungskurs scheint zumindest in den Kostensenkungsprogrammen Früchte zu tragen. Aber wo steht das ehemalige Warenhaus auf seinem Weg der Neuausrichtung aktuell ganz konkret – und wo sollte die Reise hingehen?
Klar ist, dass die großen Fragen erstmal bleiben. Unklar ist dagegen, wie nachhaltig die aktuellen Verbesserungen durch das Management wirklich sind und welche Risiken erneut Krisen auslösen könnten. Angesichts dessen lohnt es sich, die Probleme klar zu benennen und zugleich realistische Wege nach vorn zu skizzieren – mit Blick aufs Ganze statt auf kleinteilige Rettungsversuche.
Indizien für Fortschritte
Zunächst zum Positiven: Hinsichtlich der wesentlichen Kosteneinsparungsprogramme sind erkennbare Fortschritte erzielt worden und zentrale Entscheidungen auf Management-Ebene werden nun durch zwei Geschäftsführer fokussiert und zielgerichtet gefällt.
In der Post-Covid-Zeit wurden bei Galeria signifikant tiefere Mietbelastungen in den 83 Filialen zu marktüblichen Konditionen realisiert. Zudem sind neue Tariflösungen, vor allem auch mit den stationären Mitarbeitenden, ausgehandelt worden. Eine konsequente Reduktion der Verwaltungsstrukturen wurde außerdem umgesetzt.
Die substanzielle Anpassung der Strukturen und Kosten in der ersten Phase der Sanierung scheint folglich geglückt zu sein. Galeria bewegt sich effizient und effektiv auf die Ergebniswirksamkeit zu. Wesentliche strategische Pflöcke, um den Umsatz zu fördern, sind eingeschlagen worden. Mit Blick auf das angestrebte Wachstum wird das neue Geschäftsjahr mit dem anstehenden Weihnachtsgeschäft ein gutes erstes Indiz darüber geben, ob Galeria die angestrebten ehrgeizigen Ziele auch wirklich erreichen kann.
Seit Beetz-Einstieg hat sich einiges getan
Insgesamt hat sich bei Galeria seit dem Einstieg von Bernd Beetz einiges getan. So werden zur ehemaligen Frequenz von circa 200 Millionen Besucher:innen pro Jahr in allen Häusern aktuell definierte Warengruppen mit Customer-Relationship-Management-Daten ausgesteuert, um die Saisonalität in einer nach wie vor zurückhaltenden Einkaufsstimmung bestmöglich nutzen zu können. Die Store-Manager:innen mit ihren lokalen Marktkenntnissen spielen dabei eine wesentliche Rolle, Events als Erlebnis anzubieten.
Strategische Partnerschaften mit dem Lebensmitteldiscounter Lidl und der Sportartikelkette Decathlon wurden eingegangen und sollen die Frequenz auf der Fläche und idealerweise die Attraktivität bei neuen Kundschaftsgruppen für Galeria zusätzlich steigern. Die Rückkehr zum Bonusprogramm „Payback“ ermöglicht es überdies – sofern es kundenspezifisch genutzt wird –, den Warenkorb, die Besuchshäufigkeit und die Loyalität der Kund:innen zu erhöhen.
Weitere Partnerschaften sind notwendig
Weitere strategische Partnerschaften mit glaubwürdigen jüngeren Marken im Umfeld „Junge Familie“ lassen jedoch noch auf sich warten. Wie Käufer:innen von Lebensmitteln oder Sportartikeln in weitere Galeria-Warengruppen konvertiert und zum regulären Besuch des Warenhauses angeregt werden können, bleibt eine herausfordernde Aufgabe hinsichtlich der zielgerichteten Nutzung von Business Intelligence- und KI-Tools.
Es gilt daher nun, die gesamtheitliche Wahrnehmung von Galeria als „Marke“ – geprägt durch zeitweise Impulse als Erlebniscenter sowie das clevere Kuratieren der Warengruppen auf der Verkaufsfläche – für die Kund:innen wahrnehmbar zu gestalten und somit fester Bestandteil des individuellen Shopping-Trips zu werden. Die Frage „Wann gehe ich zu Galeria?“ sollte dabei klar von den bestehenden und den angestrebten Zielgruppen beantwortet werden können.
Einige zentrale Probleme bleiben bestehen
Generell lässt sich unter dem Strich festhalten, dass Galeria trotz der oben skizzierten positiven Entwicklungen drei grundlegende Herausforderungen trotzdem noch nicht gelöst hat.
Erstens: Das Nachjustieren des Geschäftsmodells. Das klassische Warenhaus kämpft gegen wachsende Online-Konkurrenz, veränderte Konsumpräferenzen und steigende Betriebskosten. Ein umfangreiches Sortiment, ein ehrgeiziges Einkaufserlebnis vor Ort und gleichzeitig eine schlanke Kostenstruktur zu balancieren, ist äußerst anspruchsvoll. Hinzu kommen hohe Fixkosten durch die Filialstruktur; Flagship-Stores in Großstädten können zwar Markenbotschaften transportieren, aber ebenfalls Investitionen verlangen. Die Kapitalstruktur und Refinanzierung drücken auf die Liquidität. Restrukturierungskosten, Zinslast und Migrationsthemen verschlingen Mittel. Daher braucht es eine klare Investitionspriorisierung und eine Cashflow-orientierte Steuerung, um diesem Problem entgegenzuwirken.
Digitalisierung und agilere Entscheidungen sind unausweichlich
Das zweite Kernproblem dreht sich um Organisation, Kultur und Lieferketten. Wandel in der Belegschaft, Digitalisierung, agilere Entscheidungen und klare Verantwortlichkeiten sind unausweichlich – aber sie bedeuten eben oft auch kurzfristige Belastungen und Change-Over. Gleichzeitig beeinflussen Lieferkette und Einkauf die Margen durch globale Beschaffungslogistik, Importabhängigkeiten und volatile Preise. All das macht die Gesamtsituation bei Galeria anfällig, wenn man nicht konsequent gegensteuert.
Die Frage der Relevanz vs. Rentabilität einzelner Standorte ist der dritte kritische Punkt. Welche Filialen tragen die nachhaltig höchste Ertragskraft bei, bleiben tragfähig, welche müssen umgestaltet werden? Die digitale Transformation stockt teils: Omnichannel, Click-and-Collect, Fulfillment-Optimierung und der sinnvolle Einsatz von Personal- und Kundendaten bleiben lückenhaft. Markenpositionierung und Kundenerlebnis weisen Defizite auf. Es stellt sich daher die zentrale Frage, wie sich Galeria gegenüber Online-Plattformen, Discountern und Premium-Häusern konkret und mit Nachdruck differenzieren und abheben will. Und welche Erlebnis-Momente, Services, Events oder Kooperationen können dauerhaft überzeugen?
Lösungswege müssen konsequent aufgezeigt werden
Um die nach wie vor vorhandenen Probleme realistisch anzugehen und Lösungswege beschreiten zu können, ist zunächst eine fokussierte Sortimentsstrategie notwendig. Kernmarken müssen klar priorisiert, margenstarke Kategorien gestärkt und das Private-Label-Portfolio gezielt ausgebaut werden, um Preis- und Lieferkettenrisiken besser zu managen. Auch ein konsequentes Omnichannel-Modell muss dringend umgesetzt werden. Dabei geht es um eine nahtlose Verknüpfung von Online- und Offline-Erlebnissen, schnelle Lieferungen, einfache Rückgaben sowie das Nutzen von personalisierten Angeboten über Digital-Tools im Store.
Es bedarf außerdem einer cleveren Flächenstrategie. Galeria sollte sich auf umsatzstarke und margenträchtige mittelgroße Filialen in Städten mit geringerem Wettbewerbsdruck konzentrieren, die vorhandenen Flächen durch weitere Partnerschaften produktiv verdichten.
Auch das Kosten- und Cashflow-Management muss genau unter die Lupe genommen werden.
Doch auch organisatorische Veränderungen sind vonnöten: Erforderlich sind klar abgegrenzte Verantwortlichkeiten für Store-Performance, Merchandising und Digitales sowie Investitionen in Datenkompetenz und agile Arbeitsweisen, damit Entscheidungen schneller und faktenbasierter getroffen werden. Nicht vergessen werden darf bei all dem die Personalpolitik. Gefragt sind hier effiziente Prozesse ohne Qualitätsverlust, begleitet von gezielten Trainings, um die digitale Transformation voranzutreiben und die Kundschaftsansprache weiter zu fördern.
Es müssen künftig klare Prioritäten gesetzt werden
Innovation darf für Galeria kein Nice-to-have bleiben. Partnerschaften mit Modemarken, Pop-up-Formate, Erlebnisshops und Event-Modelle sollten regelmäßig integriert werden, um Aufmerksamkeit und Besucherfrequenz zu steigern. Kreislaufwirtschaft wie Miet- oder Leihmodelle für ausgewählte Kategorien könnten neue Umsatzkanäle eröffnen und Ressourcen schonen. Nachhaltige Produktlinien und transparente Lieferketten sind ebenfalls essenziell, um Vertrauen zu schaffen und regulatorischen sowie gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Fazit
Die positiven Kosteneffekte sind zunächst realisiert. Was es nun im nächsten Schritt unbedingt benötigt, ist die gemeinsame Mission für ein kontinuierliches Umsatzwachstum. Diese kann standortbezogenen differenzieren, muss aber in der Aussteuerung der wesentlichen Warengruppen nachhaltig operativ profitabel durch den Gesamtkonzern gesteuert werden. Das Galeria-Team, von den Geschäftsführenden über kluge Köpfe in der neuen Zentrale in Düsseldorf bis hin zum einzelnen-Store Manager:innen und dem Verkaufspersonal, sollte den Wandel und die Transformation positiv erfahren und durchleben können. Nur so kann die Kundschaft dauerhaft gewonnen werden.
Das Management von Galeria muss nicht zuletzt deshalb künftig klare Prioritäten setzen, äußerst effektive Strukturen leben und die Profitabilität in den Mittelpunkt rücken – statt weiter nur aufs Umsatzvolumen zu schielen.
Schließlich braucht es eine klare, kommunizierte Roadmap, die regelmäßig gegenüber Investor:innen, Mitarbeitenden und Filialpartnerschaften aktualisiert wird. Offenheit über Ziele, Erfolge und Risiken ist genauso wichtig wie Bereitschaft zu Kurskorrekturen, wenn nötig. Mit diesen Schritten könnte Galeria eine sicherere, profitablere Zukunft aufbauen, in der Stabilität, Kundenzentrierung und nachvollziehbare Renditen wieder im Vordergrund stehen.
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