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Baumwolle aus Usbekistan: Comeback nach Boykott und potenzielle Alternative zu China

Von Simone Preuss

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Bild: Arbeiterinnen in einer modernen usbekischen Bekleidungsfabrik in der Kaschkadarja-Region / Berliner Korrespondentenbüro

Jahrzehntelang galt die Beschaffung von Baumwolle in Usbekistan als riskant, wurde doch in den meisten Fällen Kinder- oder Zwangsarbeit zur Ernte von Hand eingesetzt. Im Jahr 2009 schlossen sich sogar mehr als 300 internationale Marken - darunter Burberry, Puma, Gucci und Adidas - in der Cotton Campaign zusammen und kündigten einen Boykott usbekischer Baumwollprodukte an.

Das schmerzte, besonders finanziell, und die Führung des Landes nahm die Abkehr von ihrer so hart beschafften Baumwolle zum Anlass für große Anstrengungen und Änderungen: So wurde die Zwangsarbeit auf Baumwollplantagen unter Strafe gestellt, der Baumwollanbau modernisiert und die Löhne der Baumwollpflücker:innen erhöht beziehungsweise ein Mindestlohn eingeführt.

Im März dieses Jahres bestätigte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) dann, dass es Usbekistan gelungen sei, Zwangs- und Kinderarbeit vollständig aus dem Baumwollproduktionszyklus zu verbannen, und die Cotton Campaign hob ihren weltweiten Boykott gegen usbekische Baumwolle auf. Die ILO tritt dafür ein, dass sich internationale Auftraggeber:innen wieder im Land engagieren und dieses erwartet, dass internationale Unternehmen und Handelsketten wieder usbekische Baumwolle kaufen.

Baumwollanbau in Usbekistan hat Tradition

Der Baumwollanbau in Usbekistan hat eine lange Geschichte, die mit chinesischen Kaufleute begann, die die ersten Baumwollsorten vor mehr als 2.000 Jahren in die Region brachten. Deshalb wird es dort auch „weißes Gold“ genannt, denn Baumwolle war neben Gold schon immer eines der wichtigsten Exportgüter.

Jetzt scheint das Land auf Erfolgskurs und könnte eine Alternative zu China werden, gerade angesichts der sich derzeit vollziehenden Umstrukturierung internationaler Lieferketten. Die usbekische Textilbranche ist inzwischen wieder einer der führenden Industriezweige des Landes und beschäftigte 2021 rund 350.000 Menschen. Die Wachstumsraten der Textilexporte verdoppelte sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr und erreichten 3 Milliarden US-Dollar. Für 2022 wird ein Exportvolumen von 3,8 bis 4,3 Milliarden US-Dollar erwartet beziehungsweise 7 Milliarden US-Dollar bis 2025, womit sich Usbekistan mit Ländern wie Sri Lanka oder Pakistan gleichstellen würde.

Usbekistan auf Wachstumskurs

Insgesamt gibt es mehr als 130 Wirtschafts-Cluster in ganz Usbekistan, in denen Baumwolle angebaut, entkörnt und verarbeitet wird, die für fast 18 Prozent der jährlichen Baumwollproduktion verantwortlich sind. Dadurch stieg die Faserverarbeitung in nur zwei Jahren um das 2,5-fache - wurden 2016 nur 45 Prozent der Baumwollfasern im Inland verarbeitet, waren es vier Jahre später bereits fast 90 Prozent.

Offiziellen Angaben zufolge lag der Anteil der Textilbranche am Bruttoinlandsprodukt allein im dritten Quartal 2019 bei rund drei Prozent und an der Produktion von Non-Food-Konsumgütern bei mehr als 40 Prozent. Das jährliche Produktionswachstum lag in den vergangenen Jahren bei etwa 18 Prozent, das der Ausfuhren bei etwa 10 Prozent, und allein im ersten Quartal 2021 expandierte die Branche um 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Auch deutsche Textilbranche an Usbekistan interessiert

Laut einer Mitteilung des Berliner Korrepondentenbüros ist auch die deutsche Textilindustrie am Land interessiert, das neben Rohstoffen auch mit niedrigen Produktionskosten, motivierten Arbeitskräften und langjährigen Produktionserfahrungen lockt. Zudem gehört Usbekistan seit April 2021 letzten Jahres dem Allgemeinen Präferenzsystem (APS+) der EU an, was wirtschaftliche Anreize wie niedrigere Exportsteuern bedeutet. Diese erleichtern den Außenhandel und Experten sollen die jährlichen Exporte in die EU 2022 bis zu 250 Millionen US-Dollar erreichen.

„Das Interesse der deutschen Wirtschaft an Usbekistan hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Textilindustrie gehört seit jeher zu den attraktivsten Sektoren der usbekischen Wirtschaft. Die Investitionen in den Sektor bieten deutschen Zulieferern enorme Chancen, etwa dem Maschinenbau“, sagt Christian Tegethoff, Gründer und Geschäftsführer von CT Executive Search.

„Aufgrund seiner relativ großen Bevölkerung und der günstigen geographischen Lage mit der Nähe zu China hat Usbekistan auch als Produktionsstandort Potenzial. Investor:innen sollten allerdings eine vorausschauende Personalpolitik betreiben und bedenken, dass Aus- und Weiterbildung erhebliche Ressourcen benötigt. Besonders Facharbeiter:innen sind rar und müssen oftmals von den Unternehmen selbst ausgebildet werden“, rät Tegethoff.

Dementsprechend führt das Textilinstitut in Taschkent zur Zeit ein duales Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild ein, so das Berliner Korrespondentenbüro: Drei Tage in der Woche wird studiert und die restliche Zeit eine praktische Ausbildung in einem Textiltechnologiepark gemacht. Zudem nahmen mehr als 30 usbekische Textilhersteller an der jüngst zu Ende gegangenen Heimtextil-Messe teil und stellten sich vor.

„Usbekische Hersteller haben eine Reihe erfolgreicher Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartner:innenn geführt und Exportverträge mit deutschen, tschechischen, polnischen und türkischen Unternehmen unterzeichnet. Auch globale Marken wie C&A, s.Oliver, Falke, Triumph, Biberna und andere blicken mit großem Interesse auf den usbekischen Markt. Davon zeugen erfolgreiche Wirtschaftsgespräche zwischen einer hochrangigen usbekischen Delegation und Vertreter:innen dieser Unternehmen, die Mitte Juni in Deutschland stattfanden“, berichtet das Büro.

„Usbekistan hat einen festen Platz in der Baumwoll- und Textilindustrie auf dem Weltmarkt. Die Nachfrage nach usbekischen Qualitätsgarnen nimmt immer mehr zu", fasst Biberna-Vorstandsvorsitzender Ludwig Schmänk zusammen.

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