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Barfußschuhmarke Blusun: „Vor 15 Jahren gab es drei Mitbewerber, heute sind es 150“

Der Markt für Barfußschuhe boomt und stellt innerhalb des Schuhsegments ein starkes Wachstumsfeld dar. Die Gründer:innen der deutschen Barfußschuhmarke Blusun erklären, warum Barfußschuhe so erfolgreich sind und wie sich das Segment die letzten Jahre entwickelt hat,

Barfußschuhe sind eines der wenigen dynamisch wachsenden Segmente innerhalb des seit Jahren stagnierenden Schuhmarkts. Während sie einst noch als wenig ansehnliche Gesundheitsschuhe belächelt wurden, entwickeln sie sich inzwischen zu einem eigenständigen Trend mit wachsender Marktrelevanz. Marken wie das deutsche Start-up-Unternehmen Blusun aus Pirmasens beweisen mit einer wachsenden Fangemeinde, dass Gesundheitsschuhe auch modisch und zeitgemäß sein können. Die beiden CEOs und Gründer:innen Dirk Pfeffer (Sales) und Silvia Brindlmayer (Design) haben das Unternehmen erst 2024 gegründet und gehören dennoch zu den Pionieren in diesem jungen Markt. Im Interview erklären sie, warum Barfußschuhe so interessant sind und wie sich der Markt und ihre Marke entwickelt haben.

Wie sind Sie darauf gekommen, eine eigene Barfußschuhmarke zu starten?

Dirk Pfeffer: Ich komme eigentlich nicht aus der Schuhbranche, habe aber 2010 das erste Mal eine Barfußschuhmarke bei einer Laufveranstaltung kennengelernt. Das war Leguano. Und ich war total begeistert, was Barfußschuhe mit dem Körper und mit der Muskulatur machen. Also habe ich meinen damaligen Job aufgegeben und bei Leguano von 2010 bis 2018 den Vertrieb aufgebaut, international. Ich habe 86 Läden installiert, Schulungsmaßnahmen durchgeführt, Laufkurse und Seminare gegeben, Schulungen für Mitarbeitende durchgeführt etc.

2018 habe ich dann beschlossen, eine eigene Barfußmarke zu gründen, die nicht mehr nach Barfußschuhen aussieht. So ist Groundies entstanden. Gemeinsam mit der Designerin Silvia Brindlmayer, die von Anfang an dabei war, haben wir die Marke aufgebaut. 2023 wurde die Marke vom Weltbild-Konzern übernommen.

Deshalb haben Silvia und ich uns 2023 entschieden, noch einmal ganz neu zu starten – mit einer Barfußschuhmarke, die für unsere Werte steht: hochwertige Materialien, flexible und rutschfeste Sohlen, ein modernes Design – und vor allem ein echtes Barfußgefühl ohne Kompromisse. So wurde Blusun im Januar 2024 gegründet und im Mai 2024 haben wir die erste Kollektion gelauncht. Und das war ein voller Erfolg.

Gründer:innen von Blusun: Silvia Brindlmayer & Dirk Pfeffer. Credits: Blusun

Sie haben also aus persönlicher Überzeugung mit Barfußschuhen angefangen?

Dirk Pfeffer: Ja, absolut. Ich laufe seit 15 Jahren ausschließlich mit Barfußschuhen oder ganz barfuß. Und es hat mir Lebensqualität zurückgegeben. Ich bin davon überzeugt und lebe das.

Frau Brindlmayer, haben Sie sich vorher schon mit Barfußschuhen beschäftigt?

Silvia Brindlmayer: Ich bin klassisch ausgebildete Schuhdesignerin und seit 2004 in der Branche – habe viele Jahre für renommierte Marken gearbeitet, im kommerziellen wie im Luxusbereich. 2016 habe ich mich dann selbstständig gemacht, zunächst weiterhin im klassischen Schuhdesign.

2018 kam dann Dirk auf mich zu mit der Frage, ob ich mir vorstellen könnte, einen Barfußschuh zu entwerfen. Bis dahin hatte ich mit Barfußschuhen kaum Berührungspunkte – das war damals noch eine extreme Nische, oft negativ behaftet, eher ökolastig und optisch wenig ansprechend. Aber genau daraus ist dann unsere Idee entstanden: Wir wollten Barfußschuhe neu denken – modern, stylisch, hochwertig und angenehm zu tragen, ohne dass man sofort denkt: ‚Das ist ein Gesundheitsschuh.‘

Mit Groundies haben wir diesen Weg begonnen – und mit Blusun wollten wir das Ganze nochmal auf ein neues Level heben – in Sachen Design und Qualität.

Und es funktioniert: Wir erreichen nicht nur die Barfußschuh-Community, sondern auch immer mehr Menschen, die vorher nie darüber nachgedacht haben, so einen Schuh zu tragen.

Das heißt auch, für Blusun mussten Sie nicht ganz von vorne anfangen.

Dirk Pfeffer: Nein. Wir konnten nur deshalb so gut starten, weil wir natürlich die Erfahrung im Vertrieb, in der Produktion und auch im Design schon hatten.

Was macht einen Barfußschuh zum Barfußschuh?

Dirk Pfeffer: Zum einen, dass er eine sehr dünne, flexible Sohle hat und es hinten keine Absatzerhöhung gibt, also null Sprengung. Denn wenn ich barfuß laufe, dann stehe ich ja auch gerade auf dem Boden. Außerdem muss es im Zehenbereich ausreichend Platz geben, damit die Zehen sich entfalten können und nicht gequetscht werden, wie zum Beispiel in Pumps oder auch in einigen Sneakern. Ein Barfußschuh ist so flexibel, dass ich ihn komplett einrollen kann, das heißt, er schmiegt sich komplett um den Fuß und schützt ihn. Weil man in der Stadt vielleicht nicht so gerne barfuß gehen möchte, übernimmt der Schuh die Schutzfunktion, lässt dem Fuß aber alle Freiheit.

Blusun Kollektion. Credits: Blusun

Warum sind Barfußschuhe besser als herkömmliche Schuhe?

Dirk Pfeffer: Evolutionsgeschichtlich tragen Menschen erst seit sehr kurzer Zeit feste Schuhe. Wenn Sie Ihre Füße jeden Tag in einen Schuh mit wenig Flexibilität und Platz stecken, wird der Fuß eingequetscht. Dadurch wird die Muskulatur nicht mehr aktiviert und die Zehen können sich nicht mehr bewegen. In der Folge bricht das Fußgewölbe zusammen. Spreizfuß, Senkfuß, Knickfuß, Plattfuß, Hohlfuß, Hallux valgus, Pronation und Supination sind also die Ergebnisse einer außer Kraft gesetzten Fußmuskulatur.

Dabei ist der Fuß sehr leistungsfähig, denn er ist genauso aufgebaut wie die Hand: gleiche Anzahl an Knochen, Bändern und Sehnen, völlig identisch. Wir packen unsere Füße jedoch morgens in einen Schuh, ziehen ihn abends wieder aus und gehen dann ins Bett. Würden Sie das über Jahre mit der Hand machen – was Sie niemals freiwillig tun würden –, dann werden die Fähigkeiten der Hand verkümmern. Barfußschuhe bieten Menschen die Möglichkeit, ihre Fußmuskulatur wieder zu trainieren. Dadurch können sie eine bessere Statik erreichen und Knie-, Hüft- und Rückenprobleme verringern, da sich der Körper auf natürliche Weise neu ausrichten kann.

Wie hat sich der Barfußmarkt entwickelt in den letzten Jahren?

Dirk Pfeffer: Als ich 2010 angefangen habe, gab es drei oder vier Mitwettbewerber – international. Als ich 2018 die Marke Groundies gegründet habe, waren es 26 Mitwettbewerber. Heute sind es über 150 – inklusive vieler Billig-Anbieter aus Fernost, die zum Teil sehr aggressiv auf Social Media unterwegs sind.

Auf der Offenbacher Schuhmesse haben 78 Marken ausgestellt, wir inklusive. Und ich finde es sehr wichtig, dass es viele Marken gibt, weil jede Marke beim Endverbrauchenden für Sichtbarkeit sorgt. Wenn wir vor fünf Jahren noch von 0,2 bis 0,3 Prozent Marktanteil am Gesamtschuhmarkt in Deutschland gesprochen haben, bewegen wir uns mittlerweile bei 1,3 bis 1,5 Prozent am Gesamtschuhmarkt. International gesehen, liegt der Barfußschuhmarkt bei 0,12 bis 0,13 Prozent am Gesamtschuhmarkt.

Da sehen Sie, welches Potenzial vorhanden ist. Der Barfußschuhmarkt wächst jedes Jahr zwischen zehn und 15 Prozent. Auch der klassische Schuhhandel kommt verstärkt auf uns zu, weil Barfußschuhe ein Wachstumssegment sind.

Silvia Brindlmayer: Man muss auch sagen, dass unsere Schuhe einfach sehr hochwertig verarbeitet sind und eine tolle Passform haben. Deswegen kann uns auch der Schuhfachhandel gut verkaufen. Unser Leder kommt aus Italien, von der Gerberei Heinen in Mönchengladbach und Oehler in Baden-Württemberg. Wenn Sie dieses Leder in die Hand nehmen, schmelzen Sie dahin. Und auch die Entwicklung des Leisten war ein langer Prozess in enger Zusammenarbeit mit einem Leistenbauer in Pirmasens. Erst wenn der Leisten steht, kann auch die Sohle entwickelt werden. Erst danach kommt die Materialentscheidung. Wenn alles Schritt für Schritt aufeinander abgestimmt ist, dann bekommt man den perfekten Schuh hin.

Wie viele neue Modelle entwickeln Sie im Jahr? Wie saisonal arbeiten Sie?

Silvia Brindlmayer: Wir arbeiten mit vielen verschiedenen Farben, aber nicht mit sehr vielen neuen Schnitten. Das liegt daran, dass Barfußkund:innen sehr treu sind und lieber eine neue Farbe kaufen, als ein neues Modell. Deswegen ist die Entwicklung von einer Barfuß-Schuhkollektion sehr langsam im Gegensatz zum normalen Schuhmarkt, wo sehr auf Schnelligkeit und Neuigkeit gesetzt wird. Bei Barfuß-Schuhen ist es tatsächlich so, dass man an bestehenden Kollektionen weiterarbeitet und nicht ständig völlig neue Modelle rausbringt.

Wintermodell von Blusun. Credits: Blusun

Wie groß ist Ihre Kollektion?

Silvia Brindlmayer: Aktuell haben wir drei Sneaker-Schnitte in unterschiedlichen Farben und Materialien und vier Winterstiefel.

Dirk Pfeffer: Uns geht es auch darum, den Handel zu stärken. Es gibt genug Mitwettbewerber von uns, die eine sehr breite Kollektion haben und sehr viele Farben. Und die nach einem halben Jahr die Modelle wieder austauschen gegen neue Modelle.

Für den Handel ist das schwierig. Zum einen wird das meistens mit einem Sale vom Produzenten begleitet. Und zum anderen entwertet es sofort die alte Kollektion, wenn die neue Saison startet. Wir machen keine Sale-Aktionen in unserem Webshop und bieten Carry-Over-Never-Out-of-Stock-Modelle. Wer nicht alles in einer Saison verkauft, kann sicher sein, dass dieses Modell auch in der nächsten Saison weiterläuft oder im nächsten Sommer wieder neu angeboten wird.

Wir kommen dem Handel also in dem Sinne entgegen, dass wir deren Kapitalbindung und Lagerbestände reduzieren helfen und ihnen die Möglichkeit geben, auch individuell und bedarfsgerecht nachzudisponieren.

Wie viele Händler:innen verkaufen Blusun und in welchen Ländern?

Dirk Pfeffer: Aktuell sind es um die 95 Händler:innen, davon etwa 65 Händler:innen in Deutschland und der Rest ist aufgeteilt auf Europa – vor allem auf die Schweiz und die Niederlande – Kasachstan, China, Japan. USA ist momentan on hold. Da haben wir einen Partner, der gerne bestellen möchte, aber noch nicht wirklich weiß, wie die Zollformalitäten aussehen. Gerade haben wir auch eine Anfrage aus Südafrika erhalten. Was mich wirklich freut: Mittlerweile kommen die Händler:innen auch auf uns zu, weil sie den Schuh irgendwo auf der Welt gesehen und anprobiert haben und von der Qualität überzeugt waren. Da kriege ich echt Gänsehaut.

Mit welchen Händlern arbeiten Sie zusammen? Sind das überwiegend Spezialisten oder klassische Schuhfachhändler?

Dirk Pfeffer: Aktuell sind es zu 70 bis 80 Prozent Händler:innen, die sich auf Barfußschuhe spezialisiert haben und die in den letzten fünf Jahren wie die Pilze aus dem Boden geschossen sind, weil sie das Potenzial erkannt haben. Hinzu kommt aber tatsächlich immer mehr der klassische Schuhhandel. Auch auf der Barefoot-Messe in Offenbach haben einige Händler:innen gesagt, dass sie mit einem kleinen Sortiment an Barfußschuhen starten wollen.

Was für Kund:innen kaufen Barfußschuhe? Wie hat sich die Zielgruppe verändert?

Dirk Pfeffer: Als ich 2010 angefangen habe, war es die Frau über 60 und der Mann wurde „gezwungen“, die Schuhe auch anzuziehen. Mit Groundies haben wir durch den modischeren Look das Alter reduzieren können. Da ging es dann ab einem Alter von 45 bis 50 los. Mit Blusun ist es uns tatsächlich gelungen, auch jüngere Menschen ab Mitte 30 abzuholen. Aber es sind immer noch mehrheitlich Frauen. Wir haben einen Frauenanteil von 70 Prozent und einen Männeranteil von 30 Prozent.

Aber von den 30 Prozent Männern entscheiden trotzdem noch zu 90 Prozent die Frauen, welche Schuhe die Männer anziehen. Das heißt, eigentlich treffen zu 95 Prozent Frauen die die Entscheidung für unsere Schuhe.

Wo produzieren Sie?

Silvia Brindlmayer: Wir produzieren in Portugal und legen sehr großen Wert auf Transparenz in der Produktion. Abgesehen vom Leisten wird alles in Portugal mit kurzen Lieferketten produziert. Unsere Leder stammen ausschließlich aus Italien und Deutschland, das Ziegenleder auch aus Portugal. Wir wollen genau wissen, wo was herkommt. Es gibt auch Materialien, auf die wir aktuell noch verzichten, weil uns noch nicht gefällt, woher die kommen.

Blusun Kollektion. Credits: Blusun

Wie hat sich Ihr Unternehmen im letzten Jahr entwickelt? Welchen Umsatz konnten Sie im ersten Jahr erreichen?

Dirk Pfeffer: Gestartet sind wir bei knapp 700.000 Euro für das gesamte Jahr 2024. Im ersten Halbjahr 2025 haben wir jetzt die erste Million Euro Umsatz erreicht und denken, dass wir am Ende des Jahres den Umsatz mehr als verdoppeln können.

Für 2026 streben wir dann nochmal eine Verdoppelung des Umsatzes an. Dafür bekommen wir ab Oktober noch eine herausragende Vertriebsmitarbeiterin, die uns dabei unterstützen wird.

Was haben Sie für weitere Pläne?

Dirk Pfeffer: Wir wollen jetzt erst einmal unseren Kund:innenstamm festigen und bringen im Frühling 2026 einen neuen Sneaker raus, der mehr Volumen hat, weil wir da die Nachfrage aus der Barfußschuh-Community gesehen haben. Den haben wir auch schon auf der Messe vorgestellt und der kam sehr, sehr gut an.

Sie sprechen von der Barfuß-Community. Wie arbeiten Sie mit der Community zusammen?

Silvia Brindlmayer: Wir haben das große Glück – das hatte ich vorher im Normalschuhbereich nie – dass wir unsere Prototypen unserer Community vorstellen können und die gibt uns Feedback, bevor der Schuh fertig entwickelt ist. Wir können also nochmal eingreifen, bevor der Schuh auf den Markt kommt. Das ist echt toll und das unterscheidet die normale Schuhbranche von der Barfußschuhbranche. Wir sind wirklich extrem nah an unserer Community und in einem regen Austausch.


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