Performance Days München: Funktionsstoffe zwischen Performance und Nachhaltigkeit
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Auf den Performance Days in München standen die Stoffinnovationen für Frühjahr/Sommer 2027 im Rampenlicht. Die Sport- und Outdoorbranche sucht nach nachhaltigen Materialien, die auch im Bereich Performance neue Standards setzen.
Die Sport- und Outdoorbranche gilt seit jeher als besonders technikaffin, und sie liebt innovative Materialien. Deshalb lohnt es sich immer, auf den Performance Days, der Stoffmesse für Funktionstextilien, nach den neuesten Stoffinnovationen Ausschau zu halten. Doch wohin geht die Reise bei den Performance-Stoffen?
Während in den letzten Jahren oft allein schon die Machbarkeit von nachhaltigeren Stoffalternativen im Vordergrund stand und als Meilenstein gefeiert wurde, geht es heute immer mehr darum, diese Leuchtturmprojekte auch industriell herzustellen und gleichzeitig die Performance weiter zu verbessern. Denn kurz vor dem magischen Jahr 2030, in dem viele (börsennotierte) Bekleidungshersteller:innen ihren CO2-Fußabdruck halbieren wollen, sind alle Marken auf nachhaltigere Materialien angewiesen. Sie haben den größten Anteil am CO2-Fußabdruck eines Produkts.
Ein Schwerpunkt der Messe lag diesmal auf dem Material Wolle, das durch neue Ausrüstungen zusätzliche Funktionen erhalten kann und laut den Performance Days auch einer der großen Trends für die Saison Spring/Summer 2027 ist, sowie auf dem Thema Zertifizierungen im Allgemeinen und wie es damit angesichts der Siegelflut weitergeht.
Wolle feiert ein Comeback und ist so vielseitig wie nie
„Ein Trend für SS27 ist das Comeback der Wolle, die sowohl im Bereich der nachhaltigen Fasern als auch im Bereich der Performance-Fasern immer mehr an Bedeutung gewinnt“, sagt Alexa Dehmel, Designerin und Head of Experts Jury im Trend Forum der Performance Days. Faszinierend ist die Bandbreite an Funktionen, die Wolle durch bestimmte Beschichtungen, Ausrüstungen oder Konstruktionen mittlerweile erreicht.
Diese Bandbreite wurde zum zweiten Mal gebündelt in der Wool Area präsentiert. So gewann beispielsweise der Textilhersteller Takisada Nagoya den Performance Award für den Stoff Wool Combat". Das Besondere: Hier wurde Codura-Nylon mit Wolle kombiniert, wodurch der Stoff deutlich haltbarer und abriebfester ist als ein herkömmlicher Wollstoff. In Kombination mit den natürlichen Eigenschaften der Wolle (wie Atmungsaktivität, Feuchtigkeitsmanagement und Geruchskontrolle) eignet sich das Gewebe hervorragend als Oberstoff für sommerliche Outdoor-Jacken und Softshells. Auch bei den Hemdstoffen zeigte sich das Comeback mit besonders leichten, atmungsaktiven Konstruktionen. Aber auch ohne Beimischung bleibt Wolle eine interessante Faser, die gerade im Sommer noch lange nicht ihr volles Potenzial entfaltet hat.
Natürliche Proteinfasern wie Wolle oder Seide müssen jedoch nicht mehr unbedingt natürlichen Ursprungs sein. AMSilk stellte eine künstliche Proteinfaser aus Seidenprotein vor, die sehr unterschiedliche Eigenschaften haben kann, von hochelastisch bis sehr fest. Diese Eigenschaften können dem Material auf molekularer Ebene hinzugefügt werden.
Hanf: jetzt auch als Lyocellfaser
Auch bei den Pflanzenfasern gibt es Neues, zum Beispiel beim Hanf, der in den letzten Jahren ebenfalls ein fulminantes Comeback in vielen Sport- und Outdoorkollektionen gefeiert hat. „Die Unternehmen suchen nach einem nachhaltigeren Ersatz für Baumwolle“, sagt Martina Finken von Felde Fibers. Felde Fibers baut Hanf in Ostdeutschland an und verkauft ihn an Spinnereien. Neben der Regionalität, die Transportwege und Zeit spart, biete Hanf weitere Vorteile, weil er nicht bewässert werden muss und auch in Sachen Materialeffizienz nahezu unschlagbar sei, so die Fachfrau. So kann ein sehr hoher Anteil der Pflanze für die Fasergewinnung genutzt werden und auch das Restmaterial kann in anderen Branchen weiter verwendet werden.
Als Hanfinnovation stellte Hemp Fortex die neue Faser „Macel“ vor. Diese wird nach dem Lyocell-Verfahren hergestellt und besteht aus Hanfzellulose, die zu 70 Prozent aus Hanfabfällen gewonnen wird.
Doch auch auf Seiten der Baumwolle hatte die Messe ein echtes Highlight zu bieten: Eine zu 100 Prozent recycelte Baumwolle von Inovafil. Das Besondere ist, dass hier eine mechanische Recyclingtechnologie entwickelt wurde, bei der die Länge der Stapelfasern nicht zerstört werden. „Auf diese Weise kann man die Qualität von Baumwolle auch beim Recycling erhalten“, sagt Regina Goller, Head of Material Strategy and Future Trends bei den Performance Days.
Immer mehr Hersteller:innen stellen ihre Rezepturen um
Bis 2030 will die Textil- und Bekleidungsindustrie ihre Klimaziele erreichen. Da auf der Messe bereits die Stoffkollektionen für SS27 präsentiert wurden, lässt sich erahnen, wie hoch aktuell der Druck auf die Textilhersteller ist, dafür die passenden Lösungen zu entwickeln. Viele namhafte Hersteller sogenannter „Ingredient Brands“, wie The Lycra Company oder der Membranhersteller eVent haben Lösungen präsentiert, die es den Brands einfach machen sollen, auf nachhaltigere Stoffe umzustellen. So präsentierte The Lycra Company die biologisch basierte Lycra EcoMade Faser, die zu 70 Prozent aus Industriemais gewonnen wird.
„Wichtig ist zu wissen, dass wir nur eine Zutat verändert haben, aber nicht den ganzen Prozess ändern mussten, um den CO2-Fußabdruck um fast die Hälfte zu reduzieren“, sagte Alberto Ceria von The Lycra Company. „So helfen wir unseren Kund:innen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“ Noch in diesem Jahr soll der offizielle B2B-Launch der Faser erfolgen.
eVent Fabrics, ein Anbieter von wasserdichten und atmungsaktiven Laminaten, stellt ab 2025 vollständig auf Produkte um, die frei sind von PTFE und PFAS. Anstelle der PTFE-Membran (zu deren Herstellung PFAS nötig sind) verwendet eVent jetzt eine Membran auf Polyolefin-Basis, zusätzlich wurde eine wasserabweisende Ausrüstung ohne PFAS entwickelt. „Beides war nicht einfach. Es ist technisch nicht trivial, PTFE und durch eine Polyolefinmembran zu ersetzen. Aber mit unserer Erfahrung ist es uns gelungen, und wir haben ein ziemlich überzeugendes Produkt entwickelt“, sagt Chad Kelly, CEO von eVent.
Auch PrimaLoft, spezialisiert auf Isolierung, stellt seit Januar 2025 sein "Flaggschiff" PrimaLoft Gold ausschließlich mit der nachhaltigeren PrimaLoft P.U.R.E. Technologie her, die Energieverbrauch und Emissionen drastisch reduziert.
Zertifizierungen: Welche braucht man?
Mit dem Fortschritt der Textilindustrie hin zu einer nachhaltigeren und saubereren Industrie ist auch die Anzahl der Zertifizierungen stark angewachsen, gerade in den letzten Jahren. Nicht nur für die Konsument:innen wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten, auch für Designer:innen und Stoffeinkäufer:innen. Ein weiteres Fokusthema der Messe war daher den Zertifizierungen und Siegeln gewidmet, und wie man die richtigen für die eigenen Prozesse und Produkte auswählt.
Mehrere Vorträge haben sich dem Thema gewidmet und auch die Messe selbst hat in enger Kooperation mit Anna Schuster, Head of Sustainabilty der Performance Days, einen umfassenden Leitfaden erarbeitet, der sowohl verpflichtende als auch optionale Nachhaltigkeitsstandards für Produkte abdeckt. Er basiert auf intensiven Recherchen und einer detaillierten Analyse der Praktiken von Einzelhändler:innen, Kaufhäusern und Großhändler:innen und soll klare Informationen zu den Anforderungen, dem Einreichungsprozess und der Präsentation qualifizierter Daten liefern.
Aufgrund der Vielfalt der Siegel, aber auch der vielen Überschneidungen und Dopplungen, hat etwa Textile Exchange, die Organisation hinter bekannten Standards wie Responsible Wool Standard (RWS) oder Recycled Content Standard (RCS), 2024 den Material Matter Standard gelauncht, der acht einzelne Siegel in ein einziges transformiert. Auch diese Entwicklung war ein Thema auf der Messe.
Die Performance Days fanden am 5. und 6. März 2025 auf dem Münchner Messegelände statt. Die nächste Ausgabe ist terminiert auf den 29. und 30. Oktober 2025.