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Nudelshops und Showrooms auf der CIFF: Wie bekommen Marken Aufmerksamkeit in einem überfluteten Markt?

Von Jule Scott

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Die 64. Ausgabe der CIFF in Kopenhagen Credits: FashionUnited

Kaum waren die Modefabriek in Amsterdam und die Düsseldorfer Ordertage vorbei, zog es die Modebranche weiter zur Copenhagen International Fashion Fair (CIFF) nach Kopenhagen. Trotz des straffen Messekalenders sowie etwas weniger Marken und Besucher:innen auf der CIFF war bei der 64. Ausgabe der Messe jedoch weder Müdigkeit noch schlechte Laune zu spüren.

Bereits das Betreten des Geländes der CIFF war ein Erlebnis für die Sinne. Nachdem die Tickets kontrolliert, Jacken verstaut und erste Orientierungspunkte gesetzt waren, führte ein neon-grüner Korridor – eine Farbe, die an den „Brat Summer“ erinnert und nun offenbar als „CIFF January“-Tonalität adaptiert wurde – zusammen mit Stroboskoplichtern, einer Video-Installation und treibenden Beats direkt ins Herz der Messe.

Dort angekommen, wurden die Besucher:innen zunächst von einem großflächigen DHL-Stand empfangen, doch die meisten passierten ihn mit zielstrebiger Entschlossenheit, bereit, alte Bekannte zu treffen und neue Kontakte unter den knapp 1.200 Aussteller:innen zu knüpfen.

Credits: FashionUnited

Doch das erste bekannte Gesicht, das die Besucher:innen vom vom 28. bis 30. Januar im Bella Center in Kopenhagen begrüßte, war nicht etwa der imposante Stand einer prominenten Marke. Es war die dritte Auflage des Neudeutsch-Konzepts von Retail- und Trendexperte Julian Daynov. Die von ihm kuratierte Fläche, bewusst im Stil eines Concept Stores gestaltet – und dabei moderner als viele tatsächlich existierende Stores –, beherbergte 40 deutsche Labels. Dabei präsentierte Neudeutsch nicht nur die Modekompetenz Deutschlands, sondern auch sein herausragendes Designverständnis.

Credits: FashionUnited

Diese Philosophie spiegelt sich auch in der DNA der CIFF wider, die nicht nur Bekleidung, sondern ebenso Schuhe, Accessoires und Interior-Design auf einer gemeinsamen Plattform vereint. Doch Neudeutsch geht einen Schritt weiter und liefert den perfekten Produktmix für einen Concept Store quasi auf dem Silbertablett – als Inspirationsquelle und, im Idealfall, nicht nur die Vision sondern auch die vorgestellten Brands mit aufzunehmen.

Order inmitten des Trubels?

Das sieht wenige Schritte weiter, im Herzen der CIFF, grundsätzlich ähnlich aus. Doch der erste Eindruck der Messe mit Neudeutsch als Ruhepol, irgendwo zwischen Galeria, Concept Store und Communal Space, trügt. Je weiter man in die Messe eintaucht, desto stärker entfaltet sich ihr eigentlicher Charakter. Tatsächlich bietet auch die Messe alles, wovon ein Store – ob großes Warenhaus oder selektiv kuratierter Concept Store – nur träumen kann. Allerdings sollten diese Träume im Idealfall bereits vorgeformt sein, denn ohne eine klare Linie droht die schiere Vielfalt schnell überwältigend zu werden. Am Eingang dominieren noch kuratierte Konzepte und Designvisionen, aber mit jedem Schritt wird deutlicher, dass die CIFF in erster Linie eine Handelsplattform ist, auf der für viele Marken die Order der Sinn der Sache ist, oder zumindest ein Vorgespräch vor der eigentlichen Order.

Das gilt insbesondere für dänische Marken, erklärte Maren Banzhaf, Country Sales Managerin bei JJ XX, der Young-Fashion-Brand des dänischen Bekleidungskonzerns Bestseller. „Es sind vor allem dänische Kund:innen, die hier ihre Orders platzieren“, sagte sie gegenüber FashionUnited. „Andere, wie etwa deutsche Kund:innen, waren bereits auf der Modefabriek in Amsterdam oder den Düsseldorf Fashion Days, oder sie haben die Kollektionen in den Showrooms gesehen – für sie besteht hier kein unmittelbarer Bedarf mehr, Bestellungen aufzugeben. Aber für die dänischen Einzelhändler:innen ist dies der zentrale Order-Zeitpunkt.“

Die 64. Ausgabe der CIFF in Kopenhagen Credits: FashionUnited

Dennoch scheint sich die Messe auszuzahlen – andernfalls hätte das Unternehmen, das in der vergangenen Saison nicht auf der CIFF vertreten war, wohl kaum die Entscheidung getroffen, zurückzukehren. Banzhaf weist jedoch auf einen interessanten Aspekt hin: Die Positionierung innerhalb des Messegeländes sei in diesem Jahr etwas herausfordernder – insbesondere im Vergleich zu früheren Saisons, als alle Bestseller-Marken auf einer großen gemeinsamen Fläche untergebracht waren und sich nicht inmitten der belebten Hallen um Aufmerksamkeit bemühen mussten – selbst wenn die Messe laut vielen Teilnehmer:innen im Januar etwas ruhiger war als im Sommer.

Als am Dienstag die Mittagszeit hereinbrach, wurden die Stände merklich stiller. Doch die langen Schlangen, die sich stattdessen vor den Cafés im Bella Center bildeten – oder trübten nicht die Stimmung der Aussteller:innen. Zumindest nicht die derjenigen, die es verstanden hatten, sich von der Masse abzuheben und unübersehbar zu sein. Keine leichte Aufgabe auf einer Messe, bei der ein Aussteller zugab, dass er am Morgen trotz einer App mit integrierter Kartenfunktion ganze 45 Minuten brauchte, um seinen eigenen Stand zu finden.

Aufmerksamkeitsökonomie auf der CIFF

Es geht nicht nur um das Geschäft auf der Messe selbst, sondern auch um die jüngsten Entwicklungen, die die Frage nach der langfristigen Relevanz von Messen aufwerfen. Schließlich haben viele Veranstaltungen in den letzten Jahren nicht überlebt, was die Gründe für die fortwährende Teilnahme von Marken an großen Messen wie der CIFF infrage stellt. Doch diejenigen, die das Geheimnis entschlüsselt haben liefern vielleicht den besten Beweis dafür, warum Messen nach wie vor eine zentrale Rolle spielen. Denn es sind genau diese Marken, die es verstehen, in einem überfluteten Markt die nötige Sichtbarkeit zu erlangen und eine nachhaltige Verbindung zum richtigen Publikum aufzubauen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass man auf die Taktik von Marktschreier:innen auf dem Hamburger Fischmarkt zurückgreifen muss. Bei der CIFF jedoch schien – zumindest dieses Mal – „je lauter, desto besser“ ein effektives Konzept zu sein. Während DK Company mit einem Live-Konzert Kund:innen an ihre Stand lockte, servierte Mos Mosh am Mittwochnachmittag Espresso Martinis – eine willkommene Mischung aus Koffein und Alkohol nach einem langen Messetag und auch Gabor lud zu einer Cocktail-Stunde ein.

Die italienische Sportswear-Marke Fila brachte zwar weder Drinks noch Snacks, aber eine neue Ausrichtung, sowohl visuell als auch in Bezug auf die Retail-Strategie. Ihr Stand, der den Flair der 70er-Jahre und Tennis-Culture in die CIFF brachte, war eine visuelle Darstellung einer Zusammenarbeit mit dem deutschen Streetwear-Magazin Highsnobiety, die in diesem Jahr stattfand und sich unter den vielen etwas kahlen Kleiderstangen anderswo deutlich abhebt.

„Wir kehren zu unseren italienischen Wurzeln zurück. In den letzten Jahren waren wir kommerzieller, logo-orientierter und stärker auf den US-Markt ausgerichtet. Doch jetzt verschieben wir den Fokus wieder auf Mode. Alle sprechen von Sportmode, aber für uns geht es mehr um Mode im klassischen Sinne. Wir lassen uns von den coolen Tennis-Spieler:innen der 1970er Jahre inspirieren – sie waren Rockstars. Es gab diese Energie, wie bei den Rolling Stones oder den Beatles zu der Zeit. Wir wollen dieses Gefühl in die heutige Mode bringen – und auch zu unserem Stand“, erklärte Henrik Johansson, Sales Director FILA Scandinavia und Baltic.

Unterdessen gestand Philip Krause, Mitbegründer und Geschäftsführer des Berliner Streetwear-Labels Prohibited, dass der Stand relativ klein sei Die große Barista-Maschine sowie die Entscheidung, 80 Prozent der Kollektion zu zeigen – ohne klassische T-Shirts und Hoodies – halfen aber sicherlich dabei, neugierige Einkäufer:innen zu einem längeren Aufenthalt am Stand zu bewegen.

Er glaubt jedoch auch, dass die Zeiten, in denen man einfach darauf wartete, dass die Kund:innen von alleine vorbeikamen – besonders auf einer so großen Messe wie der CIFF – vorbei sind. „Laufkundschaft auf der CIFF zu erwarten, ist für mich keine Option, dafür ist die Messe zu ruhig. Aber die kontaktierten und geladenen Einkäufer:innen waren da.“ Trotz alledem standen auch bei Prohibited die Ordern nicht im Mittelpunkt: „Wir haben ein, zwei Order geschrieben, aber in den meisten Fällen finden Ordercalls oder Ordertermine bei uns oder direkt bei den Kund:innen vor Ort statt. Am Ende des Tages geht es darum, sich gut auf die Order vorzubereiten und die Kund:innen ein wenig zu führen.“

Credits: FashionUnited

Auf den ersten Blick schien Woodbird sogar noch weniger an Ordern vor Ort interessiert zu sein, da bei ihnen nicht die Mode, sondern das Essen im Mittelpunkt stand. Die Marke, die sich selbst als eine Mischung aus skandinavischer und asiatischer Kultur beschreibt, brachte einen Pop-up-Nudelshop zur CIFF, der asiatische Küche servierte und so einen Teil der Marken-DNA näher an die Messebesucher:innen brachte.

„Das Team hatte noch vor der CIFF ein bisschen Angst, dass wir während der Messe keine Ordern schreiben würden, aber darum geht es überhaupt nicht. Mir geht es um menschliche Gewohnheiten, Kultur und die neue DNA von Woodbird, nicht nur um Kleidung“, erklärte Chung W. Cheung das ungewöhnliche Konzept. Liebe geht bekanntlich durch den Magen, und ein Blick auf den konstant prall gefüllten Stand der Marke mag diesem Sprichwort recht geben, auch wenn sich der geschäftliche Erfolg der Idee auf der Messe noch nicht quantifizieren lässt.

Trügerische Stille im Ciff Village

Eine Etage höher bot das CIFF Village eine Auszeit von den klassischen Messeständen, mit Showrooms, die wie eigenständige Geschäfte wirkten. Die Gänge wirkten besonders am zweiten Messetag erstaunlich ruhig, aber sobald man die einzelnen Showrooms betrat, wurde schnell klar, dass das CIFF Village hier ernsthafte Geschäfte machte.

Die 64. Ausgabe der CIFF in Kopenhagen Credits: FashionUnited

Die meisten Marken, von Fynch Hatton über Marc Cain und die Betty Barclay Group bis hin zu Bugatti, waren so beschäftigt – entweder mitten in einem Termin oder wartend auf den nächsten – dass längere Gespräche fast unmöglich waren. Doch wenn sich ein Moment ergab, schien sich eine gemeinsame Meinung unter den Sales Manager:innen abzuzeichnen: Die CIFF ist für diese deutschen Marken hauptsächlich auf den nordischen Markt ausgerichtet. Das ist eine Meinung, die auch auf den Ständen darunter zu finden war – zumindest bei den Ständen, bei denen die Aufträge Priorität hatten.

Trotzdem hat Anna Sfaiter, Sales Representative für Brax und Fuchs Schmitt, sogar New Yorker Stores zu sich gelotst, auch wenn sie zugibt, dass es nahezu unmöglich ist, Zeit für diejenigen zu finden, die ohne Termin kommen.

„Es ist manchmal schwer, sich zurechtzufinden, weil mein Tag komplett mit Terminen ausgebucht ist. Aber unten hast du eine normale Messe, bei der die Leute einfach hereinkommen und sich umsehen. Und ich denke, sie erwarten hier oben das Gleiche“, erklärte sie, während sie auf ihre nächsten Kund:innen wartete, von denen sie sich nicht nur eine Bestellung für Brax erhoffte, sondern auch, dass diese einen Blick auf die neueste Akquisition des Unternehmens, Fuchs Schmitt, werfen würde.

Die Leineweber GmbH & Co. KG, zu der Brax gehört, hat den Aschaffenburger Bekleidungsanbieter zum 1. August übernommen. Während die Marke in Deutschland bereits etabliert ist, geht es für Sfaiter nun darum, das Label auch auf dem skandinavischen Markt bekannt zu machen.

Viel mehr konnte die Sales Representative nicht erzählen, bevor ihr nächster Termin den Showroom betrat und ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchte – schließlich geht es in Kopenhagen trotz allem Spektakel immer noch ums Geschäft.

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