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Chic Shanghai: Die chinesische Fashion Industrie nimmt den Heimatmarkt ins Visier

Von Regina Henkel

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Der chinesische Markt emanzipiert sich, und der Heimatmarkt wird für die chinesische Bekleidungsindustrie immer interessanter. Das spiegelt die Chic Shanghai, die vom 27. bis 29. September stattgefunden hat, deutlich wider. Mit 719 Ausstellern und 825 Brands wächst die Zahl der Aussteller kontinuierlich, ausländische Marken aus Europa oder den USA sind dagegen kaum zu finden. Künftig geht es in China darum, den riesigen Binnenmarkt mit eigenen Marken zu bedienen. „China ist der größte Markt der Welt und das Wachstumspotential immens“, sagt Dapeng Chen, Vice President der China National Garment Association und Ausrichter der Messe. „Die Nachfrage nach Mode in China ist riesig und der Markt ist bei weitem noch nicht gesättigt.“

Dass immer mehr chinesische Unternehmen neben der klassischen Lohnfertigung für internationale Marken inzwischen verstärkt eigene Marken für den Heimatmarkt entwickeln ist für ihn nur logisch. „Früher gab es fast nur die junge Zielgruppe, an die sich heimische Brands gerichtet haben. Inzwischen hat sich der Markt weiter entwickelt, und wir haben immer mehr verschiedene Zielgruppen, die wir bedienen können.” Dass chinesische Firmen sich bald verstärkt den internationalen Märkten anbieten hält Chen für unwahrscheinlich. „Wir haben hier vorerst noch genug zu tun.“

Chinesen wollen mehr Individualität und chinesisches Design

Die chinesischen Konsumenten haben sich verändert und wollen immer weniger billige Massenware, dafür mehr Handarbeit und Individualität. Die Zeit der großen Prestige-Logos ist vorbei, das Design rückt in den Vordergrund. Auch das Interesse an chinesischen Marken, die die eigene Identität widerspiegeln, wächst.

Beispiel Li Ning: Chinas größte Sportbrand versucht schon lange an die Mitbewerber Nike und Adidas aufzuschließen. Bislang erfolglos. Der aktuelle Hype um die Brand zeigt, wie es doch gehen könnte. Auf der New York Fashion Week zeigte Li Ning in diesem Jahr erstmals eine selbstbewusste chinesische Kollektion, und die Abverkäufe gingen durch die Decke. Die Vogue betitelte Li Ning als „die chinesische Sportswear Marke, die man kennen sollte“. Li Ning persönlich präsentierte auf der Chic Shanghai seine neue Kollektion mit einer Fashion Show. Mit mehr Mode, einem eigenständigen chinesischen Design und mehr Nachhaltigkeit will er sein Unternehmen voranbringen. International, aber vor allem national, wo die Marke mehr als 6.000 Stores betreibt.

Chinas Industrie setzt auf Qualität statt Quantität

Den reinen Massenmarkt hat China ohnehin hinter sich gelassen. Die Lohnkosten sind in den letzten Jahren so stark angestiegen, dass klassische Massenproduktion nicht mehr rentabel ist. „Die chinesische Modeindustrie durchläuft gerade eine wichtige Transformation. In Zukunft werden wir uns weniger auf Massenproduktion fokussieren, viel wichtiger werden Qualität und Innovation.” Insgesamt sei schon jetzt zu erkennen, dass die Produktionsmengen sinken, aber der Wert der Waren steige. „Design und Innovation sollen der Treiber künftigen Wachstums sein“, bringt es Chen auf den Punkt. Neue Technologien und auch hier wieder mehr Nachhaltigkeit im Bereich der Bekleidungsfertigung sollen China zu einem High-Tech Standort für die Bekleidungsindustrie machen.

Digitalisierung soll Effizienz steigern

Neue Technologien sollen diesen Transformationsprozess beschleunigen. Die chinesische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Industrie bis 2025 zu reformieren um eine weltweit führende Position im Bereich der Digitalisierung einzunehmen. Das gilt auch für die Bekleidungsindustrie, die sie unterstützt bei der Entwicklung neuer digitaler Prozesse hin zu neuen Smart Factories. „Andere Länder arbeiten auch an diesen neuen Prozessen, aber hier in China ist der Druck besonders hoch”, erklärt Chen weiter. Klar ist, dass die Effizienz der Unternehmen steigen muss, will man verhindern, dass immer mehr chinesische Produktionsbetriebe ins billigere Ausland abwandern. Automation steckt auch hier noch in den Kinderschuhen, erste laufende Projekte gibt es jedoch bereits.

Neue Customizing-Lösungen

So präsentierten sich auf der Messe erste Unternehmen, die an einer smarten Supply Chain arbeiten oder an Customizing-Lösungen. So sollen 3D Scanner Konsumenten vermessen, sie können an einem personalisierten Avatar Kleidung anprobieren, diese im Design modifizieren und zur Produktion in Auftrag geben. Etwa 100 dieser Scanner seien bereits seit einem Jahr im Test, aufgestellt in stationären Geschäften, die diese Technik kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. „Die meisten Menschen kennen diese Technik noch nicht, es braucht eine Weile, bis sie sich im Markt etabliert hat”, sagt Yuan Rong von der Shanghai University of Engineering Science. Die Universität hat die Technik entwickelt, die Produktion übernimmt die chinesische Bekleidungsfabrik Orient International Holding. Mit dem gemeinsamen Projekt wollen sie Produzent und Konsument zusammenbringen und Händlern und Marken die Möglichkeit geben, eigene Customizing-Produkte anbieten zu können.

Soll bald Realität sein: Die Smarte Fabrik

Auch Beispiele für eine smarte Produktion präsentierten sich erstmals auf der Messe. Das Unternehmen iFashion Cloud Technology wurde als IT-Ableger einer traditionellen Bekleidungsfabrik gegründet und experimentiert mit digital gesteuerter Produktion. „Wir haben eine Lösung gefunden, wie man Einzelanfertigung automatisiert und damit kosteneffizient umsetzen kann“, erklärt Vincent Poon, IT Manager des Unternehmens. Möglich wird das, indem die Verteilung der einzelnen Arbeitsschritte in der Konfektion computergesteuert abläuft. Kleine Nähpakete steuern eigenständig ihre Näherin an, deren Nähmaschine über Bildschirm angibt, welche Näharbeiten zu tun sind. „Eine Näherin macht jetzt nicht immer nur einen einzigen Arbeitsschritt, sondern immer wieder neue“, so Poon.

Zudem wird an der weiteren automatischen Verarbeitung von einzelnen Produkten gearbeitet. „Die automatische Herstellung von klassischen Baumollhemden und –hosen ist bereits möglich“, sagt Dapeng Chen von der Chic Shanghai. Hier seien schon Roboter im Einsatz. „Nur das Anfassen und Weiterbewegen der leichten Stoffe können Roboter noch nicht. Dafür ist derzeit noch keine Lösung in Sicht.“

Fotos: FashionUnited

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