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Missbraucht der Modehandel Azubis als billige Arbeitskräfte?

Von Reinhold Koehler

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Einzelhandel

Vor wenigen Jahren galten gemeinhin Praktikanten als die wohl meist ausgenutzte Spezies des Berufslebens. Unzählige Unternehmen, vor allem Agenturen, ersetzten jahrelang sozialversicherungspflichtige Jobs durch billige Praktikanten, die teilweise bis zu einem Jahr für 300 Euro im Monat „niedrige Tätigkeiten“ ausüben mussten. Oftmals verdienten Praktikanten sogar gar nichts, nur um sich als Teil der hippen Mode-PR-Community zu fühlen.

Damit ist Schluss, seit die Bundesregierung zum Jahresbeginn 2015 einen Mindestlohn von 8,50 Euro für jeden Beschäftigten einführte, der auch für Praktikanten gilt. Niedrigere Bezahlmodelle sind seitdem nur noch für höchstens dreimonatige Praktika erlaubt.

Nun sollen es jedoch die Auszubildenden sein, die von den Unternehmen ausgenutzt werden – zumindest wenn man den Anschuldigungen der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di glaubt. Die wirft nämlich vor allem dem deutschen Einzelhandel vor, Azubis lieber schuften zu lassen, als ihnen etwas beizubringen. Eine Umfrage unter 6.500 Auszubildenden habe ergeben, dass sich eine Vielzahl von ihnen „oft als billige Vollzeitarbeitskräfte missbraucht und nicht gut ausgebildet“ fühle, so Ver.di.

30 Prozent der Azubis unzufrieden

Vielfach würden die Erwartungen der Auszubildenden an eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung nicht erfüllt: So beklagten rund ein Drittel (33,8 Prozent) der Befragten 2016, dass sie regelmäßig Überstunden leisten müssten, obwohl dies für Auszubildende nur im absoluten Ausnahmefall vorkommen soll. Ebenfalls ein Drittel (33,4 Prozent) klage über Probleme, sich nach der Ausbildung in der Freizeit zu erholen. Und für 28,5 Prozent der Auszubildenden existiere erst gar kein betrieblicher Ausbildungsplan, obwohl er gesetzlich vorgeschrieben sei, so die Gewerkschaft.

Ver.dis Schlussfolgerung: „Diese und andere Ergebnisse sprechen dafür, dass viele Auszubildende als billige reguläre Vollzeitarbeitskräfte eingesetzt werden, statt eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu erhalten.“ Es sei kein Wunder, dass über 30 Prozent der Befragten mit der Ausbildung nicht zufrieden seien und fast 18 Prozent nicht weiter im erlernten Beruf tätig sein wollten, so Franziska Foullong, Ver.di-Jugendsekretärin im Handel. Die Arbeitgeber müssten dringend umdenken, wenn sie die Branche für Nachwuchs attraktiv gestalten wollten.

Im Visier steht hier einmal mehr vor allem auch der stationäre Modeeinzelhandel, der aufgrund des stets steigenden Kostendrucks bei gleichzeitig rückläufigen Umsätzen wohl allzu gerne auf die vergleichsweise billige Arbeitskraft von Azubis setzt. Dabei sollte gerade der Modehandel alles daran setzen, mit ordentlich bezahltem, gut ausgebildetem Fachpersonal zu überzeugen und sich so vom preislich attraktiveren Onlinehandel abzusetzen. Studentische Hilfskräfte und ungelernte Azubis können dem Kunden kaum die ausgereifte Beratung geben, die er im Ladengeschäft gerne hätte und bei den Webshops oft vermisst.

Um Servicequalität für den Kunden geht es der Gewerkschaft Ver.di weniger, wenn sie nun „allgemeinverbindliche Tarifverträge“ für alle im Einzelhandel Beschäftigten fordert. Man werde daher in der anstehenden Tarifrunde 2017 sowohl um eine deutliche Erhöhung der Ausbildungsvergütungen als auch um Tarifverträge kämpfen, heißt es. Laut Ver.di-Ausbildungsreport lag die durchschnittliche Ausbildungsvergütung im Handel 2016 bei knapp 724 Euro brutto monatlich. Mit einem Tarifvertrag sollen es hingegen 837 Euro sein.

Foto: fritz zühlke / pixelio.de

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