Einzelhandelstudie Europa 2024/2025: Kaufkraft, Konsumverhalten und Konsequenzen
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Inflation, geopolitische Spannungen und demographische Veränderungen prägten die Wirtschaft im Jahr 2024 und beeinflussten das Konsumverhalten sowie die Dynamik im Einzelhandel - ein Trend, der auch 2025 anhält. Die Studie „Einzelhandel Europa 2024 und 2025“ der GfK Geomarketing GmbH beschäftigte sich mit den wichtigsten Einzelhandelsindikatoren in Europa.
Der Stagnation westeuropäischer Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich (beziehungsweise einem leichten Rückgang in Österreich) steht ein starkes Wirtschaftswachstum in süd- und osteuropäischen Ländern wie Bulgarien, Kroatien, Rumänien und der Slowakei gegenüber.
Der Arbeitsmarkt zeigte sich trotz dieser Unterschiede im Jahr 2024 „überraschend robust“, so die Studie. „Dennoch stellen schwaches Produktivitätswachstum und demographische Veränderungen – bedingt durch den Ruhestand der Babyboomer und eine abnehmende innereuropäische Migration – langfristige Herausforderungen dar.” Deutschland etwa verzeichnete im letzten Jahr eine negative Migrationsbilanz innerhalb der EU. Was bedeutet dies für die Kaufkraft, den Einzelhandelsumsatz und seinen Anteil am privaten Konsum? Und gibt es generationsbedingte Unterschiede?
„Der Einzelhandel bleibt ein zentraler Bestandteil des Konsums in der EU, auch wenn sein Anteil weiter zurückgeht. Das Verbraucher:innenvertrauen ist seit der Pandemie fragil geblieben, da viele Europäer:innen besorgt über die wirtschaftliche Lage ihres Landes sind. Inflation, steigende Lebenshaltungskosten und der Klimawandel gehören zu den größten Sorgen und führen zu einem vorsichtigeren Ausgabeverhalten“, fasst Studienleiter Philipp Willroth von NIQ Geomarketing zusammen.
Kaufkraft
Auch wenn die Kaufkraft 2024 europaweit weiter anstieg, geschah dies deutlich langsamer als in den beiden Vorjahren. Die durchschnittliche pro-Kopf-Kaufkraft in der EU lag bei rund 21.000 Euro, was einem nominalen Anstieg von 3 Prozent gegenüber den revidierten Zahlen von 2023 entspricht. Österreich und Deutschland liegen mit über 29.000 Euro beziehungsweise 27.700 Euro über dem Durchschnitt. Regionale Kaufkraftunterschiede sind jedoch erheblich: Während die Kaufkraft in Teilen von Sylt etwa bis zu 68.400 Euro pro Person beträgt, liegt sie in Teilen von Dortmund nur bei rund 13.700 Euro. Insgesamt verfügten die Einwohner:innen der 27 EU-Mitgliedstaaten über rund 9,5 Billionen Euro für Ausgaben.
Einzelhandelsumsatz
Nach einem deutlichen Anstieg von 5,5 Prozent im Jahr 2023 verlangsamte sich das Wachstum des Einzelhandelsumsatzes in der EU im letzten Jahr auf 3 Prozent. Die stärksten Zuwächse wurden in Osteuropa verzeichnet, gestützt durch ein starkes reales Lohnwachstum. In Rumänien stieg der Einzelhandelsumsatz um 14,9 Prozent, mit besonders hohen Zuwächsen bei Kleidung, Schuhen und Elektronik, beziehungsweise um rund 10 Prozent in Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Polen und der Slowakei.
Deutschland und Österreich liegen mit 2,9 Prozent beziehungsweise 2,7 Prozent knapp unter dem Durchschnitt, während die Schweiz mit 0,7 Prozent fast stagnierte. In Estland gab es bedingt durch politische Unsicherheiten und zunehmende Verbraucher:innenskepsis einen Rückgang um 1,3 Prozent.
Einzelhandelsanteil
Auch wenn der Einzelhandel ein zentraler Bestandteil des privaten Konsums bleibt, hat der Anteil der Konsumausgaben in der EU, der in den Einzelhandel fließt, seit drei Jahren kontinuierlich abgenommen; 2024 entfiel nur knapp ein Drittel (32,6 Prozent) des gesamten privaten Konsums auf den Einzelhandel. Kroatien liegt dabei mit einem Anteil von 48 Prozent an der Spitze, während Deutschland mit einem Viertel (25,1 Prozent) das Schlusslicht bildet.
Die Deutschen geben auch lediglich 8,1 Prozent ihres Einzelhandelsbudgets für Kleidung und Schuhe aus und führen stattdessen bei Ausgaben für Sportartikel, Hobby, Freizeit und Heimwerken (10,6 Prozent), verglichen mit beispielsweise 7,3 Prozent in der Schweiz. Kroatische Konsument:innen hingegen zeigen eine starke Präferenz für Mode (13,9 Prozent).
„Viele Europäer:innen blicken besorgt auf die wirtschaftliche Zukunft ihres Landes – Inflation, steigende Lebenshaltungskosten und der Klimawandel zählen zu den größten Herausforderungen. Im Gegensatz dazu wird der technologische Wandel – insbesondere der Aufstieg künstlicher Intelligenz – vor allem von jüngeren Generationen positiv bewertet. Diese wachsende Zuversicht, gepaart mit einer nachlassenden Inflation, könnte dazu beitragen, das Konsumklima zu stabilisieren und die Ausgabebereitschaft von Generation Z und Millennials in Europa wieder zu beleben“, schätzt die Studie.
Nach starken Preissteigerungen in den Vorjahren zeigte die Inflation in der EU 2024 weitere Anzeichen der Stabilisierung und lag im Durchschnitt bei 2,6 Prozent. Die höchste Inflationsrate verzeichnete Rumänien mit 5,8 Prozent, gefolgt von Belgien (4,3 Prozent) und Ungarn (4 Prozent). Deutschland und Österreich liegen mit 2,5 und 2,9 Prozent im Mittelfeld, während die Schweiz und Litauen mit 0,9 Prozent die niedrigste Inflationsrate haben. Die EU-weite Prognose liegt für 2025 bei 2,3 Prozent.
Generationsspezifischer Konsum
Beim Konsumverhalten zeigen sich generationsspezifische Unterschiede: So verfügt Generation X (44–59 Jahre) über die höchste Kaufkraft und zeigt sich relativ offen gegenüber neuen Produkten. Millennials (28–43 Jahre) bevorzugen Erlebnisse zu Hause, wie Kochen und Unterhaltung, was durch die Pandemie verstärkt wurde. Generation Z (unter 28 Jahre) ist stark bequemlichkeitsorientiert und Babyboomer (60+) bleiben die vorsichtigsten Konsument:innen: Sie greifen bevorzugt zu Eigenmarken, konzentrieren sich auf Grundbedürfnisse und kaufen oft Angebote. Jüngere Generationen suchen online nach besseren Angeboten, wobei Millennials gezielt Online-Plattformen oder Apps nutzen.
Die regionale Altersverteilung innerhalb Europas und innerhalb der einzelnen Länder korreliert deutlich mit Unterschieden in der Online-Affinität und im digitalen Kaufverhalten. In Deutschland etwa weisen Städte wie München, Düsseldorf und Regensburg mit den jüngsten Haushalten des Landes auch die höchste Online-Affinität auf.
„Babyboomer, die häufig in Vororten leben und deren Kinder bereits ausgezogen sind, zeigen ein eher konservatives Ausgabeverhalten. Millennials und die Generation X befinden sich meist in aktiven Familienphasen, mit Bedürfnissen, die stark durch Familienleben und Zeitmangel geprägt sind. Generation Z ist besonders bequemlichkeitsorientiert“, fasst die Studie zusammen.
Nutzen für den Einzelhandel
Einzelhändler:innen können diese Erkenntnisse nutzen, indem sie ihre Kund:innenansprache entsprechend gestalten, etwa durch mobile Apps für Millennials, Modekampagnen mit Influencer:innen für Generation Z und Nachhaltigkeitsbotschaften direkt an den Verkaufsstellen für junge, werteorientierte Konsument:innen.
„Zu verstehen, wo und wie unterschiedliche Generationen einkaufen, ist entscheidend für die Optimierung von Sortimentsgestaltung, Marketingstrategien und der Gesamtperformance von Filialen in einem vielfältigen und sich wandelnden europäischen Einzelhandelsumfeld“, schließt die Studie.